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Tony Williams Fusion


Der Schlagzeuger Tony Williams wurde im Jahr 1963 als 17-Jähriger von Miles Davis für sein damals neu zusammengestelltes Quintett1) engagiert und erhielt in dieser Band rasch eine richtungsweisende Stellung2). Trotz seines jugendlichen Alters verfügte Williams über eingehende Kenntnisse der Schlagzeugtradition des Jazz sowie der Miles-Davis-Musik3) und seine „Fortschrittlichkeit“ sowie sein Feuer begeisterten Davis4). Mit seiner virtuosen Technik, seinem Einfallsreichtum, seiner jugendlichen Impulsivität und seiner Neigung zum damals neuen so genannten Free-Jazz von Ornette Coleman und Cecil Taylor sorgte er in der Davis-Band für eine Flexibilisierung und Auflösung musikalischer Strukturen, soweit es Davis akzeptieren wollte. Tony Williams brachte aber schon früh auch ein anderes damals modernes Element ein: Rock-Einflüsse. Bereits in Live-Aufnahmen aus dem Jahr 1964 hört man ihn ein wenig rockige Rhythmen anklingen lassen5) und das Thema des Stücks Eighty-One (1965)6) unterlegte er in einer Passage mit einem deutlichen Rock-Rhythmus. Außerdem tendierte sein rhythmisches Feeling von einer traditionellen swingenden Spielweise weg.7)

Die Verbindung gründlicher Kenntnisse der Jazz-Tradition mit Einflüssen aus der populären Musik der 1950er und 1960er Jahre ergab sich aus den Lebensverhältnissen seiner Jugendzeit in Boston: Seine Eltern lebten getrennt und er wuchs bei seiner Mutter auf, die wegen Berufstätigkeiten und Weiterbildung so in Anspruch genommen war, dass er wochentags größtenteils alleine zuhause war und als Kleinkind zum Beispiel vorbeifahrende Autos zählte und auf Klänge achtete.8) Sein Vater, der neben seinem Beruf als Postangestellter Jazz-Saxofonist war, nahm ihn schon früh9) in Jazzklubs mit und bereits mit acht oder neun Jahren trat Tony Williams selbst als Schlagzeuger mit einer Band auf10). Von seinem 11. bis zu seinem 17. Lebensjahr übte er nach eigenen Angaben täglich acht Stunden am Schlagzeug, jeden Tag.11) Er wollte wie die damaligen Jazz-Schlagzeug-Meister (Max Roach, Art Blakey, Philly Joe Jones, Roy Haynes, Louis Hayes, Jimmy Cobb) klingen, denn ihr Spiel war für ihn eine „wunderbare, magische Erfahrung“.12) Bereits mit 15 Jahren hatte er professionelle Erfahrung im traditionellen Jazz, den er mit älteren Musikern spielte, und durch eine Zusammenarbeit mit dem Tenor-Saxofonisten Sam Rivers, der Jazz mit avantgardistischer Konzertmusik verband, war er auch an experimenteller Musik beteiligt.13) Er entwickelte eine Begeisterung für Ornette Colemans, Cecil Taylors und Eric Dolphys Innovationen, hörte oft „moderne“ Konzertmusik von Bela Bartók, Igor Strawinski und Karlheinz Stockhausen und das erste Album, das er als 18-Jähriger aufnehmen konnte, Life Time (1964), enthielt nach eigener Aussage „freie Avantgarde-Musik“.14)

Tony Williams genoss es als Jugendlicher jedoch auch, mit Kollegen aus der Schule im Radio die „Top 40“ zu verfolgen, auf Partys zu gehen, sich Rock anzuhören und er sah sich regelmäßig im Fernsehen die populäre Musik-Tanz-Show American Bandstand an, die werktags gesendet wurde.15) Zum Beispiel mochte er besonders die Everly Brothers, die vor der Zeit der Beatles sehr erfolgreich waren, und dann wurde er (als er bereits dem Miles-Davis-Quintett angehörte) zu einem „echten Beatles-Fanatiker“. Er hatte in seiner Wohnung ein Beatles-Poster hängen und schlug Miles Davis im Jahr 1965 vor, mit den Beatles auf Tournee zu gehen und in deren Vorprogramm zu spielen, was jedoch undenkbar war.16) Williams kam als junger Musiker somit, wie er selbst sagte, aus „zwei Welten“: einerseits der populären Musik seiner Altersgenossen und andererseits der Welt des Jazz, die ihm sein Vater und dessen Freunde vermittelten.17) Die Frage, warum er nicht ein Schlagzeuger der Tanz- und Unterhaltungsmusik wurde, beantwortete er damit, dass das Schlagzeugspielen in der populären Musik der damaligen Zeit nicht spannend war, sondern nur im Spielen der Beats bestand. Im Jazz hingegen werde wirklich das Schlagzeug gespielt. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre sei dann diese Musik aufgetaucht, in der das Schlagzeug „echt zu hämmern begann“. Die zwei stärksten Gruppen seien für ihn die Cream und die Band von Jimi Hendrix gewesen. Während in Funk und Soul der Beat gemäßigt war, seien im Rock zum Beispiel Becken krachend gespielt worden. Diese wuchtige, emotionale Art des Schlagzeugspiels habe ihn angezogen.18)

Emotionalität war schon lange eine wesentliche Eigenschaft von Williams Spielweise. Sam Rivers sagte: „Was mich am meisten an Tony beeindruckt, ist der emotionale Gehalt seines Spiels. Es spielt keine Rolle, wie technisch faszinierend er wird, man ist sich immer seiner Sensibilität und der emotionalen Kraft hinter all dieser Technik bewusst.“19) Und der Buchautor und Musiker Ian Carr schrieb über die Musik des 1963 zusammengestellten Davis-Quintetts unter anderem: „Auch in Miles‘ früheren Bands hatte Interaktion stattgefunden, aber etwas derart durch und durch Wildes und Extremes […] hatte es noch nicht gegeben. […] Das räumliche Spiel der Band war ungeheuer dramatisch; Pausen und fast leere Takte standen neben Passagen, die vor Aktivität überschäumten. […] Während die Rhythmusgruppe vorwärts tobt, führt [Miles Davis] einen wilden Dialog mit dem Schlagzeug.“20) Tony Williams war der Motor der eindrucksvollen Dramatik dieser Band. Allerdings waren sein impulsives, desorientierendes Spiel, die unberechenbar wechselnden rhythmischen Ebenen der gesamten Band21) sowie der weit gedehnte harmonische Rahmen mit all den relativ schrägen Tönen für viele Hörer zu ungewohnt und unangenehm.22)

Im Jahr 1969 verließ Williams das Davis-Quintett, um seine eigene Band zu gründen – ein aus Hammond-Orgel, elektrischer Gitarre und Schlagzeug bestehendes Trio23), das er Lifetime nannte. Er hatte in seiner Jugendzeit in Boston mit solchen Orgel-Trios gespielt24), wollte das nach eigener Aussage nun aber „richtig aggressiv, mit einer Menge Rock-and-Roll-artigem Feeling, mit Energie, Power … BÄM!“ machen25). Es ging ihm um die lauten, elektrisch verstärkten Klänge, die ihn an der Musik von Jimi Hendrix faszinierten. Er und auch die anderen Bandmitglieder gaben ihre Fähigkeiten als virtuose Jazzmusiker jedoch nicht auf, sondern setzten sie im Sinne der aus dem Rock entliehenen Ästhetik ein. Mit den damals neuartigen „elektrischen“ Klängen, mit großer Lautstärke, außerordentlich dichtem, virtuosem Spiel und auch avantgardistischen Mitteln26) produzierten sie vor allem Sounds, die ein Gefühl von Energie und Wildheit hervorrufen.27) Williams erklärte, er versuche, die Vitalität zurückzubringen, die verloren gegangen sei. „Sie machten aus dem Jazz eine Kunstform, stellten ihn in Konzerthallen, machten ihn intellektuell, und das ist eine Art, wie sie ihn umbrachten.“28)– Es ist zweifellos richtig, dass in den 1960er Jahren Formen von Jazz entstanden, insbesondere der so genannte Free-Jazz, die schwer genießbar sind und somit bei Hörern relativ wenig Anklang fanden, sodass die ökonomische Grundlage von Jazzmusikern auszutrocknen drohte. An Vitalität und Emotionalität mangelte es diesen neueren Formen jedoch keineswegs und Intellektualität war schon lange zuvor eine wesentliche Komponente der faszinierenden Wirkung, die Meister wie Art Tatum, Charlie Parker und John Coltrane hervorbrachten. Aggressivität, ohrenbetäubende Lautstärke und die damals neuartigen „elektrischen“ Klänge als Zeichen von Jugendlichkeit, Vitalität und Modernität zu verstehen, wie es im Rock üblich war, ist außerdem nicht nur der Jazztradition, sondern auch vielen anderen Musikarten weitgehend fremd.

Das erste Lifetime-Album, Emergency! (1969), wird von einer sehr schlechten Aufnahme-Qualität beeinträchtigt29) und die von Haus aus eher verwaschenen Klänge der Hammondorgel, die verzerrte, heulende Elektro-Gitarre und das unablässige Brodeln und Tosen des Schlagzeugs erzeugen einen dichten, wilden, „psychedelischen“ Sound in der Art des damaligen Rock. Dieser Sound dominiert in dieser Musik und deckt musikalische Strukturen großteils zu, sodass Jazz-Qualitäten von der aus dem Rock stammenden Ästhetik verdrängt werden. Obwohl zeitweise Walking-Bass-Läufe erklingen, swingt diese Musik kaum im Sinn der Jazztradition und sie groovt auch nicht in der Art von James Browns Funk, sondern rockt eher. Das entsprach dem Anliegen von Lifetime, jenes große junge Publikum anzusprechen, das von Rock begeistert war und Jazz eher als angestaubte Musik vorhergehender Generationen betrachtete.30) Doch kam Lifetime nicht nur bei Jazz-Hörern und -Kritikern, sondern auch bei Rock-Fans schlecht an, worauf Williams in seinem zweiten Album, Turn It Over (1970), die Rock-Elemente verstärkte – unter anderem, indem er den Bassisten der erfolgreichen britischen Rockgruppe Cream hinzuzog31). Rückblickend fand Williams, damals habe in seiner Band jeder begonnen, seine eigenen Vorstellungen zu verfolgen, und er hätte „dafür kämpfen sollen, die ursprüngliche Vision aufrechtzuhalten“.32) Im Jahr 1972 verließ der Organist Larry Young die Band, der nach Williams Aussage das „Herz von Lifetime“ war, sodass es danach „einfach nicht mehr dasselbe“ gewesen sei.33)

 

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  1. Anfangs wurde das Tenor-Saxofon in diesem Quintett von George Coleman gespielt, der im Jahr 1964 zunächst für ein paar Monate durch Sam Rivers und dann durch Wayne Shorter ersetzt wurde. Im Jahr 1968 verließen der Pianist Herbie Hancock und der Bassist Ron Carter die Band und wurden durch Chick Corea und Dave Holland ersetzt. Miles Davis entwickelte seine Musik damals in eine neue Richtung.
  2. Miles Davis: „Tony war der Kern, um den die Band ihren Sound legte.“ „[…] die Richtung, in die sich die Band bewegte, hing von Tony ab.“ (QUELLE: Miles Davis/Quincy Troupe, Die Autobiographie, 1993/1989, S. 318 und 324)
  3. QUELLE: Ethan Iverson, Interview with Billy Hart, Jänner 2006, Iversons Internetseite Do the Math, Internet-Adresse: http://dothemath.typepad.com/dtm/interview-with-billy-hart.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  4. Miles Davis: „Ich lernte jede Nacht etwas mit dieser Gruppe. Ein Grund war, dass Tony Williams so ein fortschrittlicher Schlagzeuger war. Er war der einzige Typ in meiner Band, der mir jemals sagte: ‚Warum übst du nicht?‘ Ich verfehlte Noten und sowas und versuchte, mit seinem jungen Arsch mitzuhalten.“ (QUELLE: Miles Davis/Quincy Troupe, The Autobiography, 2005 (1989), S. 274; eigene Übersetzung).
  5. zum Beispiel im Album My Funny Valentine (1964), Stück All of You, während des Klavier-Solos; und im Album Miles in Tokyo (1964), Stück My Funny Valentine, während des Trompeten-Solos (QUELLE: Ian Carr, Miles Davis. Eine kritische Biographie, 1985, S. 156)
  6. von Ron Carter und Miles Davis komponiert
  7. Wynton Marsalis: „Der Schlagzeuger Tony Williams entdeckte mehrere Techniken, mit denen er seinen zu wenig ausgeprägten ‚Swing‘ kompensierte.“ (QUELLE: Wynton Marsalis. Jazz, mein Leben, 2008, S. 92) Auch wenn Williams weniger im Sinn der Tradition swingte, so ist das wohl nicht unbedingt als Mangel zu sehen, der kompensiert werden müsste. Marsalis Auffassung ergibt sich zweifelsohne aus seiner sehr traditionellen Sicht. – Franz Kerschbaumer: Tony Williams sei von der „seit den 1930er Jahren üblichen Swing-Begleitung“ abgegangen, indem er „im Rahmen seiner vielgestaltigen Begleittechnik einerseits die traditionelle Swing-Begleitfigur zeitlich verschiebt und variiert und andererseits die Achtel- und Triolenbegleitung einführt. Durch diese Technik, die Williams ebenso wie die spätere Beat-Begleitung aus der amerikanischen Pop-Musik aufgegriffen hat, gewinnt der gesamte Ensembleklang an rhythmischer Dichte und Vielgestaltigkeit.“ (QUELLE: Franz Kerschbaumer, Miles Davis. Stilkritische Untersuchungen zur musikalischen Entwicklung seines Personalstils, 1978, S. 85) Roger T. Dean: Die im Juni 1963 in St. Louis vom neuen Miles-Davis-Quintett aufgenommene Version des Stückes All Blues zeige im Vergleich zu Versionen, die frühere Bands von Miles Davis aufnahmen, vor allem eine signifikant erhöhte Geschwindigkeit des Pulses des Stückes. Das mache es für die Musiker leichter, die große Zahl der Pulse als einzelne Einheiten zu empfinden. Zwei Tendenzen treten daher auf: Erstens werden die Pulse nicht wie zuvor in Triolen, sondern in zwei Achteln unterteilt. Das zeige sich in besonders ausgeprägter Form während des Klavier-Solos der St.-Louis-Version, wo Tony Williams mehrere Takte trommelt, die fast vollständig aus gleichmäßigen Achtel-Noten bestehen, zwölf pro Takt. – Die zweite, auf die erhöhte Geschwindigkeit zurückzuführende Tendenz sei das Ersetzen des Hauptpulses durch einen langsameren Puls. Das könne in der noch schnelleren Version von All Blues des Albums My Funny Valentine (1964) beobachtet werden. Das Bass-Riff sei hier subtil verändert, um es der verstärkten Betonung von Achtel-Unterteilungen des Pulses anzupassen: Anstelle von kurzen Triolen enthalte es kurze Noten, die näher zu Sechzehntel-Noten sind. Sie werden nicht separat gezupft, sondern mit einem einzigen Anschlag, der auch die folgende, längere Note erklingen lässt. (QUELLE: Roger T. Dean, New Structures in Jazz and Improvised Music since 1960, 1992, S. 36)
  8. QUELLE: Pat Cox, Tony Williams: An Interview Scenario, Zeitschrift Down Beat, 28. Mai 1970, Internet-Adresse: http://www.cs.cf.ac.uk/Dave/mclaughlin/art/scenario.html – Das Auto-Zählen und Auf-Klänge-Hören ist wohl (besonders bei einem kleinen Kind) ein Zeichen massiver Einsamkeit.
  9. Williams sagte, bereits als er gehen konnte (QUELLE: Interview am 17. Juni 1971 in Paris, in: Arthur Taylor, Notes and Tones, 1993/1977, S. 160)
  10. Joachim-Ernst Berendt: Williams sei bereits mit neun Jahren öffentlich aufgetreten. (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 1977, S. 100) – Michael Point: bereits mit acht. (QUELLE: Michael Point, Tony Williams: The Final Interview, Zeitschrift Down Beat, April 1997, Internet-Adresse: http://www.cs.cf.ac.uk/Dave/mclaughlin/art/final.html).
  11. Williams: „Ich übte acht Stunden täglich, jeden Tag! Von ungefähr 1956 bis ungefähr 1962. Es war eine ganze Sache, eine ganze Periode in meinem Leben, in der sonst nichts geschah.“ (QUELLE: Interview am 17. Juni 1971 in Paris, in: Arthur Taylor, Notes and Tones, 1993/1977, S. 160, eigene Übersetzung)
  12. QUELLE: John Ephland, Tony Williams: Still The Rhythm Magician, Internetseite des Zeitschrift Down Beat, 1. Mai 1989, Internet-Adresse: http://www.downbeat.com/default.asp?sect=stories&subsect=story_detail&sid=981
  13. QUELLEN: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 3, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf; John Ephland, Tony Williams: Still The Rhythm Magician, Internetseite der Zeitschrift Down Beat, 1. Mai 1989, Internet-Adresse: http://www.downbeat.com/default.asp?sect=stories&subsect=story_detail&sid=981
  14. John Ephland, Tony Williams: Still The Rhythm Magician, Internetseite der Zeitschrift Down Beat, 1. Mai 1989, Internet-Adresse: http://www.downbeat.com/default.asp?sect=stories&subsect=story_detail&sid=981, eigene Übersetzung
  15. QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 3, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf
  16. QUELLE: John Ephland, Tony Williams: Still The Rhythm Magician, Internetseite der Zeitschrift Down Beat, 1. Mai 1989, Internet-Adresse: http://www.downbeat.com/default.asp?sect=stories&subsect=story_detail&sid=981
  17. QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 3, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf
  18. QUELLE: John Ephland, Tony Williams: Still The Rhythm Magician, Internetseite der Zeitschrift Down Beat, 1. Mai 1989, Internet-Adresse: http://www.downbeat.com/default.asp?sect=stories&subsect=story_detail&sid=981
  19. QUELLE: Martin Kunzler, Jazz-Lexikon, 2002, Band 2, S. 1485
  20. QUELLE: Ian Carr, Miles Davis. Eine kritische Biographie, 1985, S. 149f.
  21. Roger T. Dean: In vielen der schnellen, modalen Aufnahmen des Miles-Davis-Quintetts der 1960er Jahre gebe es Überlagerungen des 4/4-Rhythmus durch einen 3/4-Rhythmus. Die Puls-Geschwindigkeiten des 3/4-Rhythmus und des 4/4-Rhythmus seien identisch und vier 3/4-Einheiten plus einem 4/4 werden dazu verwendet, den Raum von vier 4/4-Takten zu füllen. (QUELLE: Roger T. Dean, New Structures in Jazz and Improvised Music since 1960, 1992, S. 28) Roger T. Dean beschrieb das Wechseln und Schwanken zwischen verschiedenen Pulsen sowie das Nebeneinander-Bestehen mehrerer rhythmischer Ebenen in einem Stück des Albums Live at the Plugged Nickel Vol. 2. Die Flexibilität, mit der das Quintett diese Wechsel des Pulses ausführt, sei außergewöhnlich und aus diesen Wechseln ergebe sich eine bemerkenswerte Spannung. (QUELLE: S. 39)
  22. Der dem Free-Jazz zugeneigte Jazzkritiker John Litweiler vertrat in seinem Buch Das Prinzip Freiheit (1988) eine ablehnende Haltung gegenüber der Musik des Miles-Davis-Quintetts der 1960er Jahre, die gewiss nicht verallgemeinerbar ist. Aber manche seiner Bemerkungen sind wohl bedenkenswert, zum Beispiel: Williams „destabilisierte tatsächlich die Davis-Gruppe der Mittsechziger, nicht allein durch die Impulsivität und Unabhängigkeit seiner Figuren, sondern auch dadurch, dass er Carter und Hancock in Aktivitäten verwickelte – Crescendi, Orgelpunkte, verschiedene Metren, Double- oder Half Time –, die dem Spiel der Solisten widersprachen oder ihnen zumindest die Unterstützung nahmen. […] das Schlagzeugspiel ist brillant, wenn auch keine Idee über eine längere Zeitstrecke verfolgt wird. […] Ständiger Wechsel ist das wesentliche Ausdrucksmittel des Quintetts. […] In Vonetta von 1967 [Album The Sorcerer] begleitet [Williams] inzwischen ein Balladensolo Davis‘ mit militärischen Trommelwirbeln, und es ist ein Zeichen der Zeit, dass das nicht einmal mehr erstaunlich wirkt.“ (S. 106f) Auch der entschiedene Davis-Anhänger Ian Carr fand schließlich die Alben The Sorcerer (1967) und Nefertiti (1967) „nicht mehr so überzeugend“ – unter anderem, weil in den schnelleren Stücken „der Rhythmus unablässig ‚kreativ‘ gestört wird“. (QUELLE: Ian Carr, Miles Davis. Eine kritische Biographie, 1985, S. 159f.)
  23. Die Orgel wurde vom Afro-Amerikaner Larry Young gespielt, die Gitarre vom Briten John McLaughlin, der zuvor in der Vorläufer-Band (Graham Bond Organization) der Rock-Gruppe Cream und im Bereich des frühen britischen Jazz-Rock wirkte.
  24. Tony Williams: Er habe in seiner Anfangszeit in Boston viel mit Orgel-Trios gespielt, denn das sei dort einer der großen Sounds gewesen. Das sei in Wahrheit die ursprüngliche Lifetime gewesen. (QUELLE: Michael Point, Tony Williams: The Final Interview, Zeitschrift Down Beat, April 1997, Internet-Adresse: http://www.cs.cf.ac.uk/Dave/mclaughlin/art/final.html)
  25. QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 6, Fußnote 15, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf, Quellenangabe: Milkowski, Tony Williams: A Master's Perspective, Zeitschrift Modern Drummer, Juli 1992, eigene Übersetzung
  26. Joachim-Ernst Berendt über das erste Album von Lifetime mit Larry Young und John McLaughlin: „Kochende, wilde, surrealistische Improvisationen, die dem Jazz-Rock ein Freiheitsgefühl und Avantgardebewusstsein erschlossen, wie sie ähnlich dann erst wieder im Free-Funk der 1980er Jahre spürbar werden sollten.“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 553)
  27. Kevin Fellezs: Williams und die anderen Mitglieder von Lifetime hätten ästhetische Werte vom Rock entlehnt, um die musikalischen Erkundungen der Band anzuheizen. Eine Reihe von Werten, die die Band übernahm, sei die elektrische, verstärkte Power und eine extrovertierte Emotionalität gewesen, die weitgehend durch große Lautstärke und Vorführung technischer Virtuosität dargestellt wurde. Williams habe die Komplexität des Jazz weniger aufgegeben als dass er sie für eine andere Art des Schlagzeugspiels einsetzte. Eine zweite Reihe von Werten, die Lifetime vom Rock entlehnte, seien die Effekte der Technologie und die Bereitschaft gewesen, alle Mittel zu nutzen, die der technische Fortschritt für die Aufnahme und Sound-Wiedergabe den Musikern anbot. Lifetime habe mit einer Lautstärke gespielt, die vielen Jazz-Fans unangenehm war. Der Begleittext des zweiten Lifetime-Albums, Turn It Over, betonte die Rolle, die die Lautstärke in der aufkeimenden Fusion-Ästhetik spielte, indem er mit Großbuchstaben erklärte: „SPIEL DAS LAUT“ und „SPIEL DAS SEHR LAUT“. (QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 19, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf)
  28. QUELLE: Interview am 17. Juni 1971 in Paris, in: Arthur Taylor, Notes and Tones, 1993/1977, S. 163
  29. Joachim-Ernst Berendt: „Die Platte […] Emergency […] war so schlecht aufgenommen, dass sie ‚klang wie eine alte 78er Platte aus den zwanziger Jahren‘ (Melody Maker).“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 1977, S. 103) John McLaughlin: „Es war einer der Schocks meines Lebens, als wir die erste Platte mit Tony Williams‘ Lifetime machten: Sie [die Mitarbeiter der Plattenfirma] mixten es, ohne dass wir dabei waren! Der Sound war furchtbar. Da merkte ich zum ersten Mal, dass sie keinerlei Respekt vor der Musik und den Musikern haben.“ (QUELLE: Joachim-Ernst Berendt/Günther Huesmann, Das Jazzbuch, 1989, S. 179)
  30. Kevin Fellezs: Das Ansprechen eines jugendlichen Publikums sei ein zentraler Teil des ästhetischen Programms von Lifetime gewesen und die unmissverständlichen Bemühungen der Bandmitglieder, ein junges Publikum anzuziehen, seien zu einer Zeit eingeleitet worden, als Jazzmusiker allmählich Angriffen auf ihre kulturelle und institutionelle Legitimität ausgesetzt waren. (QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 11, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf)
  31. Kevin Fellezs: Lifetime sei lauter, aggressiver und Rock-artiger geworden. Die Ausrichtung von Lifetime an den aggressiven Stilen des psychedelischen Rock und Hard-Rock sei durch die Hinzuziehung des englischen Bassisten Jack Bruce im Jahr 1970 unterstrichen worden, dessen Mitgliedschaft in der erfolgreichen Rock-Gruppe Cream anfänglich die Möglichkeit einer Überkreuzung zu einem Rock-Publikum zu versprechen schien. (QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 25, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf)
  32. QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 25, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf, eigene Übersetzung
  33. QUELLE: Kevin Fellezs, Emergency! Race and Genre in Tony Williams's Lifetime, Zeitschrift Jazz Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, Mai 2008, S. 25, Internet-Adresse: http://www.albany.edu/music/209readings/fellezs_TonyWilliamsLifetime.pdf, eigene Übersetzung

 

 

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