Die früheste bekannte Aufnahme von einem Guaguancó im traditionellen Stil ist eine im Jahr 1941 gemachte Feldaufnahme des US-amerikanischen Anthropologen Harold Courlander. Sie wurde nicht veröffentlicht, jedoch vom Musiker und Forscher Barry Cox in einen Internet-Artikel1) eingebunden. Cox: In dieser Aufnahme sei wahrscheinlich die Stimme von Alberto Zayas zu hören, der auch die Gruppe leitete und Courlander außerdem als Informant diente. In den 1950er Jahren sei Zayas der Leiter einer der ersten aufgenommenen Rumba-Gruppen gewesen und die erste veröffentlichte Schallplatten-Aufnahme dieser Gruppe aus dem Jahr 19552) sei zum ersten großen Rumba-Hit des Musikmarktes geworden. Dieser Hit habe den jungen Sänger Roberto Maza, den Zayas für diese Aufnahme einsetzte, zum Star gemacht. Der Erfolg der Aufnahme habe den Plattenproduzenten dazu angeregt, im darauffolgenden Jahr erstmals die Rumba-Gruppe Los Muñequitos de Matanzas (damals noch Grupo Guaguancó Matancero) aufzunehmen, die später hohes Ansehen erlangte.3) – Zayas, der aufgrund seiner Kompositionen auch „El Melodioso“ (der Melodische) genannt wurde, machte auch mit anderen erfolgreichen Musikern Aufnahmen (zum Beispiel mit dem angehenden Star-Sänger Carlos Embale) und arbeitete unter anderem mit Ignacio Piñeiro (dem Sänger der erfolgreichen Son-Gruppe Septeto Nacional) sowie dem Musikwissenschaftler Odilio Urfé zusammen. Zayas war in Havanna aufgewachsen und wurde „ein Experte, nachdem er sich der eingehenden Erforschung afro-kubanischer Rhythmen verschrieben hatte“.4) – Im Jahr 1959 erschien ein Album von Zayas (hier Alfredito Zayas genannt) mit dem Titel El Guaguan, das größtenteils aus Zayas Kompositionen bestand und nicht mehr Rumbas, sondern eingängige Son-Musik darbot. Wiederum war ein junger Sänger mit einer gefälligen (etwas süßlichen) Stimme beteiligt. – Diese Zusammenhänge legen somit nahe, dass bereits Courlanders Rumba-Aufnahmen aus 1941 (mit Zayas als Sänger) nicht unbedingt eine für die Rumba-Subkultur typische Art des Gesangs repräsentieren, sondern eher einen Stil, der bereits auf halbem Weg zu einem größeren Publikum war.

Ganz anders klingen die vom US-amerikanischen Musikwissenschaftler Richard Waterman im Jahr 1948 in Regla (Kuba) gemachten Feldaufnahmen von Rumba, die „im Gegensatz zu der auf Platten häufig zu hörenden gestylteren Varieté-Stil-Rumba jene Art von Rumba“ wiedergeben, wie sie „von und für die damaligen Rumberos gespielt wurde“. Die Instrumente bestanden hier aus Löffeln, Flaschen, Kisten und gelegentlich Trommeln. Die Aufnahmen wurden nicht veröffentlicht, doch gab Cox wiederum ein Stück in seinem Artikel wieder.5)

Die frühesten in einem kubanischen Studio gemachten Rumba-Aufnahmen scheinen von Filiberto Sánchez aus dem Jahr 1948 zu stammen, der in verschiedenen Gruppen als Perkussionist arbeitete, unter anderem im Casino-Orchester, im Tropicana-Cabaret und in einer Band der Polizei.6) Somit dürfte der Gesangsstil dieser Aufnahmen, von denen zwei Stücke in Coxs Internet-Artikel zu hören sind, ebenfalls nicht als repräsentativ für die gesamte Rumba-Musik sein.

Auch in den erwähnten ersten Aufnahmen der Los Muñequitos de Matanzas (damals Grupo Guaguancó Matancero) aus 1956 scheint der Gesang, besonders der des Vorsängers, einem Klang-Ideal verpflichtet zu sein, das mehr aus Spanien als aus den afro-kubanischen Religionsgemeinschaften stammte. Die Mitglieder der Gruppe waren zwar echte „Straßen-Rumberos“, doch traten sie schon seit der Entstehung der Gruppe auf Bühnen auf. Der führende Sänger sowie ein weiterer hatten zuvor in einem Son-Sextet gesungen und brachten das Harmonien-Singen im Stil des Son und damit einen damals neuen Sound in die Rumba. Sie spielten schon bald im Radio und Fernsehen sowie mit angesehenen Orchestern.7) Ein Foto8) von der Gruppe aus den 1950er Jahren zeigt sie als distinguierte Herren in hellblauen Anzügen mit Krawatten.

Die Bemühungen, Rumba und andere afro-kubanische Perkussionsmusik in einen als kultiviert betrachteten Kontext zu stellen und ihr dadurch Ansehen zu verschaffen, scheinen besonders in dem 1955 aufgenommenen Album Festival in Havana zum Ausdruck zu kommen. Die Aufnahmen wurden vom bereits erwähnten Musikwissenschaftler Odilio Urfé initiiert. Der ebenfalls genannte Son-Sänger Ignacio Piñeiro spielte in diesem Projekt eine wesentliche Rolle und auch der Star-Sänger Carlos Embale wirkte mit seiner „goldenen Kehle“ mit.9) Die betont hellen, klaren, Vibrato-reichen Solo-Stimmen und die sauber organisierten Chorgesänge dieses Albums klingen wohl ein wenig wie Konzertsaal-Versionen von Volksmusik und lassen fast vergessen, dass der Perkussionsteppich, der sie begleitet, in der Rumba eigentlich der Motor aufregender Tanzveranstaltungen ist.

Maya Roy: In der Zeit der von den USA abhängigen kubanischen Republik (1902-1959) sei „alles Afrikanische für die herrschende Schicht ein Synonym für Abschaum, Pöbelhaftigkeit und Unbildung“ gewesen.10) Das Beherrschen europäischer Tradition muss demnach eher zu Respekt und Beliebtheit bei einem größeren Publikum geführt haben als Gesänge mit afrikanischen Wurzeln, die in europäisch geschulten Ohren noch dazu oft falsch klangen.

 

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Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. Barry Cox, The earliest recordings of Cuban rumba, 2011, Internet-Adresse: http://esquinarumbera.blogspot.co.at/2011/05/filiberto-sanchez-first-to-record-rumba.html
  2. das von Zayas komponierte Stück El Vive Bien
  3. QUELLEN: Barry Cox, The earliest recordings of Cuban rumba, 2011, Internet-Adresse: http://esquinarumbera.blogspot.co.at/2011/05/filiberto-sanchez-first-to-record-rumba.html; Barry Cox, Homenaje. Alberto Zayas "El Melodioso"–Ibae, 2007, Internet-Adresse: http://esquinarumbera.blogspot.co.at/2007/02/alberto-zayas-el-melodioso-ibae.html
  4. QUELLE: Berta Jottar/Román Díaz, Rumba, in: Cordelia Chávez Candelaria/Peter J. García/Arturo J. Aldama/Alma Avarez-Smith (Hrsg.), Encyclopedia of Latino Popular Culture, 2004, Band 2, S. 715, eigene Übersetzung
  5. QUELLE: Barry Cox, The earliest recordings of Cuban rumba, 2011, Internet-Adresse: http://esquinarumbera.blogspot.co.at/2011/05/filiberto-sanchez-first-to-record-rumba.html
  6. QUELLE: Barry Cox, The earliest recordings of Cuban rumba, 2011, Internet-Adresse: http://esquinarumbera.blogspot.co.at/2011/05/filiberto-sanchez-first-to-record-rumba.html
  7. QUELLEN: David Peñalosa, Rumba Quinto, 2010, S. V; Ned Sublette, Rumba of Cuba, 2013, Internet-Adresse: http://www.lameca.org/dossiers/rumba/eng/p1.htm
  8. Dieses Foto wurde für das Cover des CD-Albums Guaguanco Matancero (einer Sammlung und Wiederveröffentlichung alter Aufnahmen) verwendet.
  9. QUELLE: Barry Cox, The earliest recordings of Cuban rumba, 2011, Internet-Adresse: http://esquinarumbera.blogspot.co.at/2011/05/filiberto-sanchez-first-to-record-rumba.html
  10. QUELLE: Maya Roy, Buena Vista. Die Musik Kubas, 2000, S. 36; zum Begriff der „abhängigen Republik“: S. 18

 

 

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